Sachverständigenverfahren bei Streit mit der Kaskoversicherung

Wenn es bei einem Streit mit der Vollkaskoversicherung oder Teilkasko Streit über die Schadenshöhe nach einem Unfall gibt, kann man sich nicht einfach auf Kosten der Versicherung einen eigenen Gutachter nehmen, wie dies bei einem Haftpflichtschaden ist. Man muss ein Sachverständigenverfahren einleiten, was allerdings anders als bei einem Haftpflichtschaden ein hohes Kostenrisiko enthält. Eventuell müssen Sie gleich zwei Kfz-Sachverständige und ihre Gutachten bezahlen.

Sie selbst bestimmen, ob es ein solches Sachverständigenverfahren gibt. Sie werden es beantragen, wenn Sie überzeugt sind, dass Ihre Versicherung Ihnen zu wenig Geld für den Kaskoschaden an Ihrem Auto bezahlen will.

Die Kaskoversicherung will den Schaden nicht voll bezahlen

Wenn die eigene Vollkasko- oder Teilkaskoversicherung nicht den vollen Schaden nach einem Unfall bezahlen will, wird ein Streit über die Schadenshöhe mit der Kaskoversicherung über das Sachverständigenverfahren geklärt. Dabei verhandeln der Kfz-Sachverständige der Versicherung mit Ihrem eigenen Gutachter über die Schadenshöhe. Der Verlierer des Sachverständigenverfahrens zahlt die Kosten dieses Schiedsverfahrens, das Ergebnis ist für beide Seiten bindend.

Kfz-Sachverständiger muss unabhängig sein

Zu beachten ist auch hierbei, dass ein Kfz-Sachverständiger unabhängig sein muss, und nicht einfach ein Mitarbeiter der Kfz-Versicherung sein darf. Sachverständiger darf sich jeder nennen, es ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Sicherheit über die Qualifikation und Unabhängigkeit des Kfz-Sachverständigen erhält man durch dessen Mitgliedschaft im Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen BVSK. Damit ein Gutachter dort Mitglied werden kann, muss er einen Kfz-Meistertitel oder ein abgeschlossenes Ingenieursstudium vorweisen und die Verbandsregeln akzeptieren und einhalten.

Kostenrisiko des Sachverständigenverfahrens

Bei einem Streit über die Schadenshöhe mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung ist die Sache klar: Die Versicherung muss den eigenen Gutachter bezahlen, wenn man am Schaden als Geschädigter unschuldig ist. Ansonsten sind die Gutachterkosten im Verhältnis der Teilschuld – z. B. 25 Prozent – selbst zu bezahlen.

Im Sachverständigenverfahren bei einem Kaskoschaden am eigenen Auto besteht ein großes Kostenrisiko, dass sowohl der eigene Gutachter, als auch der Zweitgutachter der eigenen Kaskoversicherung bezahlt werden müssen. Dies ist der Fall, wenn der eigene Sachverständige dem Urteil des Gutachters der Versicherung folgt, bzw. der eingeschaltete Obmann, bzw. Ombudsmann für den gegnerischen Gutachter entscheidet.

In den meisten Fällen werden sich die Kfz-Sachverständigen im Schlichtungsverfahren auf einen Kompromiss zwischen den beiden Maximalforderungen des Versicherungsnehmers und der Versicherung einigen. Einigen sich die beiden Gutachter in der Mitte, werden die Gutachter- und Verfahrenskosten geteilt, bekommt die Vollkaskoversicherung zu 25 Prozent Recht, muss der Geschädigte auch 25 Prozent dieser Kosten selbst bezahlen.

Was kostet ein Kfz-Gutachten?

Ein Kfz-Gutachten kostet in der Regel zwischen 10 und 40 Prozent des Schadens am Auto. Kfz-Sachverständigen sind grundsätzlich frei in der Festlegung ihres Honorars und damit des Preises für ein solches Gutachten. Die einzige Einschränkung bei der Preisgestaltung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH, laut dessen Urteil sich Gutachter an den am Markt üblichen Preisen für Sachverständigengutachten orientieren müssen.

Bei einem Schaden am Auto müssen alle Beteiligten das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten, und versuchen die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Überzieht der eigene Sachverständige bei den Preisen für sein Gutachten, kann die Kasko- oder Haftpflichtversicherung die Regulierung und Bezahlung des Mehrpreises ablehnen.

Laut einer Befragung des Kfz-Sachverständigenverbands BVSK kosten Schadensgutachten bei einer Schadenshöhe von 10.000 Euro typischerweise zwischen knapp unter 800 bis 850 Euro, mit Ausreisern bis etwas über 1000,- Euro. Zuzüglich Nebenkosten für Fahrtkosten, Fotokosten, Porto- und Telefonkosten zwischen etwa 25 bis 65 Euro.

Wann lohnt sich ein Sachverständigenverfahren bei einem Kaskoschaden?

Bei einem Haftpflichtschaden war die Empfehlung ganz klar: Immer einen eigenen Gutachter nehmen, wenn man am Schaden unschuldig war und die Schadenshöhe die Bagatellgrenze überschreitet. Bei einem Kaskoschaden mit dem Risiko gleich zwei Gutachten bezahlen zu müssen, wenn man das Sachverständigenverfahren verliert, muss schon eine große Differenz zwischen angenommener Schadenshöhe und von der eigenen Kaskoversicherung festgelegten und regulierten Schadenshöhe vorliegen.

Angenommen der Kaskoschaden beträgt 10.000 Euro. Und die Vollkaskoversicherung will nur 8.000 Euro bezahlen. Dann muss man, wenn die Versicherung Recht behält und das Schiedsverfahren nach der Entscheidung des Ombudsmanns gewinnt, circa 1.500,- Euro bis 1.800,- Euro an Gutachterkosten für das Sachverständigenverfahren bezahlen und bekommt dadurch effektiv nur eine Zahlung von etwas über 6.000,- Euro für den Schaden am eigenen Auto.

Wie ist der Ablauf eines Sachverständigenverfahrens?

Der Versicherungsnehmer teilt der eigenen Vollkasko- oder Teilkaskoversicherung schriftlich mit, dass er mit der Entscheidung zur Schadenshöhe nicht einverstanden ist und dass er ein Sachverständigenverfahren eröffnet. Gleichzeitig mit der Verfahrenseröffnung benennt der Versicherte den eigenen Kfz-Sachverständigen.

Die Kfz-Versicherung hat dann zwei Wochen Zeit einen eigenen Sachverständigen zu benennen. Lässt sie die Zwei-Wochen-Frist fruchtlos verstreichen, darf der Versicherungsnehmer auch den zweiten Kfz-Sachverständigen aussuchen und bestimmen. Die Voll- oder Teilkaskoversicherung kann in den zwei Wochen auch einfach die Forderung des Versicherungsnehmers über die Schadenshöhe akzeptieren und bezahlt den Schaden in voller Höhe.

Durch diese Drohung mit dem Sachverständigenverfahren steht die Autoversicherung einem zusätzlichen Kostenrisiko gegenüber, dass sie besonders dann vermeiden wird, wenn sie weis, dass der Schaden am Auto in Wirklichkeit höher ist, als von ihr festgelegt.

Sachverständige oder Amtsgericht bestimmen einen Ombudsmann

Die beiden gegnerischen Sachverständigen bestimmen zu Beginn des Sachverständigenverfahrens einen Ombudsmann, auch Obmann genannt. Dieser Ombudsmann entscheidet später anhand der beiden gegnerischen Kfz-Gutachten über die von der Kaskoversicherung zu bezahlende Schadenshöhe, wenn sich die Sachverständigen nicht selbst einigen können. Können sich die beiden Gutachter nicht auf einen gemeinsamen Obmann einigen, wird dieser vom örtlichen Amtsgericht bestimmt.

Das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens ist bindend

Sowohl der Versicherungsnehmer mit dem Kaskoschaden, als auch die Vollkaskoversicherung, bzw. die Teilkaskoversicherung sind an das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens gebunden. Dieses bindende Ergebnis kann entweder direkt zwischen dem eigenen Sachverständigen und dem der Versicherung ausgehandelt werden, oder wenn keine Einigung erzielt werden kann, gilt die Entscheidung des Ombudsmanns als bindend.

Literatur:

Diplom-Betriebswirt (FH) André Fiebig