Wie klaut man 5 Kilometer Bahngleise? [Sperrige Hehlerware]

Die Schrottpreise steigen seit Jahren und Metall-Schrott sammeln ist doch sehr aufwendig – immer so von Tür zu Tür fahren und Leute nerven.

Was liegt da näher, als einfach mal die nutzlos herumliegenden Bahngleise der Deutschen Bahn AG zu klauen? Natürlich sollte es eine Bahnstrecke sein, die gerade nicht befahren wird.

In Polen wohl schon reguläre Praxis (Der Artikel “Schienendiebe gefährden Bahnbetrieb” von Tagesschau.de ist nicht mehr verfügbar). Jetzt wurde das Erfolgskonzept in Deutschland kopiert: “Fünf Kilometer Bahngleise geklaut” (HR-Online – nicht mehr verfügbar).

Im Mittelhessischen Lohra wurden am hellichten Tag über mehrere Tage insgesamt knapp 5 Kilometer Bahngleise geklaut. Der Schaden für die Bahn liegt bei ungefähr 200.000 Euro – der Gewinn für die Diebe, der Schrottwert, bei ungefähr 170.000 Euro.

Aber wie klaut man nun konkret 5 Kilometer Bahngleise?

1. Man macht es am hellichten Tag. Wenn noch ein paar Anwohner neben den Gleisen wohnen und regelmässig Leute spazieren und joggen gehen – umso besser. In einer dunklen, abgelegenen Ecke des Waldes erweckt das doch bloß noch Verdacht.

2. Man beauftragt wie im Geschäftsverkehr üblich ganz normal regionale Baufirmen damit, die Schienen zu zersägen und aus dem Schotter rauszureißen. Wenn es geht gleich mit Schwellen, weil das Abschrauben dauert zu lange.

3. Man beauftragt auf die gleiche Weise ein regionales Transportunternehmen die geklauten Schienen und Schweller zum Schrotthändler seines Vertrauens zu transportieren.

In dem Beispiel vom Schienen-Klau von Lohra haben die Diebe die Schienen allerdings zu Schrotthändlern nach Koblenz und Kassel transportieren lassen. Das wird am Ende dazu führen, dass – nachdem der Diebstahl jetzt aufgeflogen ist – sowohl kein Geld fließt, als auch die Chance besteht doch noch erwischt zu werden. (Aber über die Grenze ins Ausland mit 5 Kilometern Schienen?)

Ein Schrotthändler, den HR-Online befragt hat, stellt sich auf den Standpunkt, dass er keine Schienen erhalten habe. Und der Transportunternehmer meint wiederum, dass er die Schienen zu dem Schrotthändler geliefert hat.

Fazit: Bahngleise klauen ist an sich gar nicht so schwer, das ganze dann auch sinnvoll zu verkaufen schon. Bahngleise als Hehlerware sind etwas sperrig und deren Weg irgendwie leichter nachvollziehbar.

Die Deutsche Bahn AG hat wenigstens einen kleinen Trost: Sie selbst hätte die Schienen erst rausreißen dürfen, wenn das Eisenbahnbundesamt über die Stilllegung der Bahnstrecke entschieden hätte. Und das geschieht erst, wenn auch kein Konkurrent der DB AG die Strecke nutzen möchte. Und ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass die DB AG gerne ihre Konkurrenten auf ihren alten Bahngleisen (bzw. überhaupt irgendwo) rumfahren lässt.

Diplom-Betriebswirt (FH) André Fiebig