Impulskontrolle: Mit wenig Willenskraft gegen Fressattacken bei Diäten

Wieso schaffen es manche Menschen eine Diät durchzuhalten und sich nicht Fressattacken hinzugeben? Haben diese besonders viel Willenskraft und werden deshalb schlank und halten ihr Gewicht? Nein, sie wenden sogar weniger Willenskraft auf.

Menschen sind nicht machtlos den Versuchungen nach Schokolade, Eis, Süßigkeiten, Cola, Limo und anderem ausgeliefert. Laut dem Forscher, Psychologen und Assistenzprofessor Wilhelm Hofmann, der in Chicago tätig ist, können wir die Stärke des Verlangens beeinflussen.

Bevor wir merken, dass wir wieder etwas essen werden, was wir eigentlich gar nicht wollen, weil wir zum Beispiel eine Diät halten, haben Impulse im Gehirn die “Weichen” hin zur Schokolade gestellt. Wenn wir bewusst wahrnehmen, dass wir wieder etwas eigentlich Verbotenes essen wollen, “… fahren wir häufig schon auf dem falschen Gleis”.

Um diese Sucht und das Verlangen nach Süßigkeiten bei einer Diät zu verhindern oder zu verringern, muss man laut Wilhelm Hofmann schon frühzeitig in diesen Suchtanfall – das kommende Verlangen – eingreifen.

Die gute Nachricht ist, dass das Verhindern oder Verringern von Fressattacken und die Sucht nach Süßigkeiten gar nicht so schwierig ist, wenn man nur weiß, wie es geht.

Strategien gegen die Sucht – frühzeitig eingreifen spart Willenskraft

Viele Menschen würden dieses frühzeitige Eingreifen in den Suchtprozess nicht versuchen, “Andere hingegen schaffen das sehr gut.”

Die Menschen, die den Verlockungen, den Fressanfällen widerstehen können, sind keineswegs besonders Willensstark, keine “Kämpfernaturen”. Um den Versuchungen widerstehen zu können, setzen diese erfolgreichen Menschen sogar weniger Willenskraft ein, als die, welche an der Sucht scheitern und sich den Fressattacken hingeben.

Das Geheimnis sind klügere Strategien und ein frühzeitiges, vorsorgliches Präventivverhalten. “Sie ringen nicht heroisch eine Versuchung nach der anderen nieder, sondern richten ihr Leben so ein, dass sie nicht ständig in Versuchung kommen.”

Die Menschen, die erfolgreich den Versuchungen und Süchten widerstehen sind nicht weniger empfänglich für die Reize von Schokolade, Eis, Süßigkeiten, Cola und Limo, “… die sind genauso verführbar.”

Die Willenskraft kommt erst ganz am Ende zum Einsatz

Die Menschen, die widerstehen können, planen von vorn herein die Verlockungen und Süßigkeiten ein und rechnen mit den Gefahren, z. B. während ihrer Diät. Dazu gibt es im Gegensatz viele Menschen, die eine Diät halten, sich die Grundsätze, die erlaubten Lebensmittel und die verbotenen Lebensmittel, wie Süßigkeiten, angeschaut und gelernt haben und danach voller Motivation die Diät starten.

Sie sind völlig überzeugt und hoch motiviert, kennen sich bestens mit dem entsprechendem Diätkonzept aus und legen los. Und dann irgendwann, bei manchen schon am ersten Tag, bei manchen erst später, stopfen sie sich eine ganze Packung Gummibärchen, eine komplette Tafel Schokolade, eine Packung Schokoriegel (extra groß mit Gratisriegel) und noch mehr in sich hinein.

Danach geht es ihnen schlecht, sie denken, dass sie an ihrer Diät gescheitert sind und hassen sich. Und da man an der Diät jetzt sowieso gescheitert ist, kann man ja jetzt noch mal so richtig zulangen und sich die nächsten Tage richtig vollstopfen. Die nächste Diät funktioniert ganz bestimmt, das ist jetzt das Abschieds-Vollstopfen.

Die Selbstkontrolle des Menschen läuft aber “… in einer Reihe von Hirnprozessen ab, und die Willenskraft steht erst hinten, als letzte Veto-Instanz.” Man muss also in das Verlangen, die Versuchungen und Verlockungen der Süßigkeiten schon vor dem Punkt eingreifen, an dem nur noch die Willenskraft als Widerstand eingesetzt werden kann.

Das kurze Glück der Schokolade gegen das lange Glück des tollen Körpers

Die entwicklungsgeschichtlich älteren Gehirnteile des Menschen sind auf das sofortige “Glück im Hier und Jetzt” ausgerichtet und sorgen mit ihren Impulsen für Essen, Schlaf und Sex. Folgt man diesen, für die Erhaltung des Menschen notwendigen Impulse, belohnt das Gehirn dies mit Wohlgefühl durch die Ausschüttung von Glückshormonen.

Die Gehirnteile, die das menschliche Denken an sich ausmachen, haben sich in der Evolution erst später entwickelt. Diese Gehirnareale sind dafür zuständig, dass der Mensch langfristig Pläne für seine Zukunft machen kann und diese Pläne mit seinem Willen verfolgen kann.

Bei einer Diät entsteht ein Widerspruch zwischen den Impulsen, jetzt gleich zu Essen und entspannt und zufrieden zu sein und dem langfristigen Ziel, abzunehmen und auf Dauer glücklich und zufrieden in einem leichteren, beweglicheren und fitteren Körper zu sein und voller Stolz und mit Glücksgefühlen, ohne Scham wegen seinem dicken Äußeren, den Mitmenschen entgegenzutreten.

Wilhelm Hofmann nennt als erfolgreiche Gegenmittel gegen die Fressattacken, sich seiner langfristigen Ziele zu erinnern und sich abzulenken. Wenn sich die Impulse in die Gedanken einschleichen und man immer intensiver über Essen, was man eigentlich jetzt nicht will, grübelt, soll man sich seiner langfristigen Ziele bewusst werden und die zurechtgelegten Strategien und Vorsorgemaßnahmen anwenden.

Aus Diät-Fehlern lernen und nicht verzweifeln

Aus Diät-Fehlern, die zu Fehlschlägen und Fressattacken führen, kann man lernen. Hat man sich wieder sinnlos mit Schokolade, Eis, Cola, Limo und anderen Süßigkeiten vollgestopft und seine Diät ruiniert, hilft es nicht, daran zu verzweifeln und sich einfach weiter sinnlos vollzustopfen, weil ja jetzt eh alles egal ist. Man sollte man schauen, in welcher Situation und warum man die Fressattacke gekommen hat.

Hat man vorher ausreichend gegessen, ist man hungrig einkaufen gegangen, hat man nicht daran gedacht, dass auf einem Fest, einem Weihnachtsmarkt viele Leckereien warten? Trifft man sich mit Freunden, will nur wenig essen und schlägt dann doch richtig zu?

Menschen, die diesen Versuchungen widerstehen können, tun das nicht mit mehr Willenskraft, sondern sie richten ihr Leben entsprechend ihren Zielen und den Problemen, die diesen entgegenstehen ein. Eine erfolgreiche Diät und das erfolgreiche Halten des Gewichts nach der Diät ist nicht eine Frage der Willenskraft, sondern des Vorausschauens und Planens.

Weiterlesen: Impulskontrolle – Teil 2:

Fressattacken: Süßigkeiten gehören nicht nach Hause – Das Gehirn verbraucht Willenskraft

Literatur:

Stern Gesund Leben: “Süße Verlockung – Was tun, wenn uns im Alltag das VERLANGEN packt? Lassen Sie es gar nicht so weit kommen, rät der Forscher Wilhelm Hofmann, Impulse lassen sich clever austricksen”, Heft 1 / 2013, Seiten 24 und 25.

 

Diplom-Betriebswirt (FH) André Fiebig